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Sonntag am Sternbuschweg

Dass ich Friedhöfe mag, ist ja kein Geheimnis mehr. Ich habe euch hier bereits auf den Waldfriedhof nach Wanheimerort mitgenommen und ins Kolumbarium Rheinkirche. Heute, an diesem sonnigen Sonntag, geht es nach Neudorf auf den Friedhof am Sternbuschweg.

 

Bereits im Jahr 1870 wurde dieser städtische Friedhof auf der "Neudorfer Heide" angelegt, einem Heidestreifen zwischen Stadt und Stadtwald und er hat mit etwa 5,7 Hektar eine wirklich stattliche Größe. Weil er der älteste noch in Betrieb stehende Friedhof in Duisburg ist, wird er auch "Alter Friedhof" genannt.

 

Am Eingang Sternbuschweg stoße ich als erstes auf die jüdischen Gräber. Das ihr zugewiesene Feld nahm die jüdische Gemeinde Duisburg im Jahr 1882 in Gebrauch, nachdem der alte jüdische Friedhof am Pulverweg/Königstraße 1881 aus sanitätspolizeilichen Erwägungen geschlossen worden war. Auf den Steinen mit zum Teil hebräischen Schriftzeichen liegen kleine Kiesel abgelegt.

 

Ich flaniere ohne Ziel kreuz und quer und entlang der Waldstraße über den Friedhof. Der alte Baumbestand hier ist etwas, das mir das Herz aufgehen lässt. Es zwitschert überall. Ein Rotkehlchen thront auf einem Stein. Über den Weg flitzt ein Eichhörnchen und rettet sich und seine erbeutete Frucht in den Wipfel des noch kahlen Geästs.

 

Ein weißer Engel hebt sich vom blauen Himmel ab. Er wacht über die allerkleinsten Sternenkinder. Hier nämlich gibt es eine Grabstelle für Föten. So etwas habe ich noch nie gesehen und bin sehr ergriffen.

 

Weiter Richtung Bahndamm entdecke ich eine Ruhestätte für die im Feldzug gegen Frankreich verstorbenen deutschen Krieger. Auch das ist bemerkenswert, sieht man doch sonst eher Gedenkorte für die Gefallenen aus den zwei Weltkriegen und weniger für die aus dem Deutsch-Französischen-Krieg von 1870/71.

 

Weiter des Weges lenkt eine der langen Alleen meinen Blick wieder und wieder zur neugotischen Kapelle. Sie ist so etwas wie das Herzstück des Areals, mit ihrer großen Kuppel und den leuchtenden Fenstern.

 

Rund herum haben so einige Duisburger Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe gefunden: Lehr zum Beispiel (vor Kurzem erst habe ich über die Karl Lehr Realschule berichtet) oder Steinbart (auch nach ihm wurde ein Gymnasium im Wasserviertel benannt).

 

Wirklich faszinierend aber ist die Gruft der Familie Böniger-Merrem, die einzige unterirdische Grabanlage hier in Duisburg. Durch ihre prunkvolle Gestaltung wird die soziale Stellung der Familie und ihre Bedeutung für die Stadt mehr als deutlich (Hinweis: Der Böninger Park in Hochfeld entstand aus dem ehemaligen Privatgarten der Familie Böninger!)

 

Allein die äußeren Ausmaße sind imposant: Die oberirdische Grabanlage ist fast 10 m breit und rund 20 m lang. Respekt!

 

Der antik anmutende Vorbau aus Ziegel- und Sandstein lässt sich über eine zweiflügelige Tür betreten. Letztere ist hübsch verziert, u. a. mit einem zarten Gesicht, die Augen geschlossen. Von hier aus führen 12 Stufen in das unterirdische Gewölbe mit 24 Beisetzungsmöglichkeiten! Eine Grabplatte ist wohl geschmückt mit der Portraitbüste von Carl Friedrich Maria Böninger, einem Sohn des Duisburger Tabakfabrikanten und Kolonialwarenhändlers Böninger und dessen Frau, einer geb. Carstanjen.

 

Auch die Mit­glie­der der zu­nächst in der Ta­bak­ver­ar­bei­tung, spä­ter auch in der Zu­cker­her­stel­lung tä­ti­gen pro­tes­tan­ti­schen Fa­mi­lie Carstanjen gehörten zu her­aus­ra­gen­den Ver­tre­tern des rhei­ni­schen Wirt­schafts­bür­ger­tums und haben ihre Grabstelle gleich nebenan. "Ruhestätte der Familie Carl Carstanjen" steht auf dem hellen Monument. Davor liegen die Grabsteine einzelner Mitglieder der Dynastie.

Mit zum Reigen der "Grabstätten bekannter Persönlichkeiten", wie es auf dem Übersichtsplan des Friedhofs am Eingang der Anlage heißt, ist auch Curtius. Auf dem schmalen, hohen Grabstein ist zu lesen "Friedr. Wilh. Curtius, geboren 1782, gestorben 1862". Er gründete 1824 eine Schwefelsäurefabrik als erstes industrielles Unternehmen in Duisburg in Kaßlerfeld.

 

Fakt am Rande: Sein Sohn Julius Curtius hat übrigens maßgeblich am Aufbau der Kaiserberganlagen mitgewirkt. Zu Ehren des Stadtrats steht deshalb am Kaiserberg noch das Curtius-Denkmal.

 

Ein Besuch dieses faszinierenden Ortes lohnt also nicht nur aufgrund der wunderschönen Natur, sondern auch, um viel Geschichte zu entdecken. Wäre es heute nicht so arschkalt, würde ich mich auf diese herrliche Bank in die Sonne setzen und die Ruhe noch ein wenig genießen. Aber das mache ich dann ein anderes Mal.

Fotos: Verena Meyer

 

Quellen:

denkmalschutz.de

juedische-friedhöfe.info

duisburg-friedhof.de

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 Verena Meyer

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